Anfang August 1914 trat der Kriegsfall ein. Die beiden Mittelmächte Deutsches Reich und Österreich-Ungarn sahen sich jeweils einem Zweifrontenkrieg ausgesetzt, das Deutsche Reich im Osten gegen Russland, im Westen gegen Frankreich, Österreich-Ungarn im Süden gegen Serbien und im Osten gegen Russland. Die Verantwortlichkeit der Mittelmächte für diese Zweifrontenkriege ist umstritten, im Besonderen die des Deutschen Reiches für den Kriegsausbruch gegen Frankreich.
Aus Vorkriegssicht konnten die Staaten der Triple-Entente objektiv zutreffend davon ausgehen, dass die Kriegsentscheidung im Osten binnen weniger Wochen zu ihren Gunsten fallen würde. Gegenüber Österreich-Ungarn trat dies erwartungsgemäß ein, gegenüber dem Deutschen Reich unerwarteter Weise nicht.
Innerhalb von sieben Wochen erlitt das Heer Österreich-Ungarn gegenüber der russischen Übermacht eine kriegsentscheidende Niederlage. Dass Russland im weiteren Verlauf des Krieges gegen das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn selbst eine Niederlage erlitt, änderte daran nichts. Das Heer Österreich-Ungarns fiel an der Ostfront unaufhaltsam einer inneren Auflösung anheim, obwohl sein deutsch-ungarischer Rahmen vier lange Kriegsjahre hindurch standhielt. Das bedeutete zugleich die innere Auflösung des Kaiserreiches Österreich.
Das Deutsche Reich erkämpfte sich durch zwei unerwartete Siege seiner 8. Armee in Ostpreußen einen Zeitgewinn. Entscheidend wurde aber die gleichzeitige Niederlage des Heeres im Westen.
2. Der Zweibund
Die politische und militärische Sicherheit des Deutschen Reiches vor 1914 beruhte auf seinem Bündnis mit Österreich-Ungarn. Allein auf sich gestellt, konnte sich das Deutsche Reich zwischen den europäischen Flügelmächten nicht behaupten. Dazu besaß es weder eine ausreichende Einwohnerzahl, noch die militärische und wirtschaftliche Stärke. Es brauchte Bündnispartner, und dafür kam lediglich Österreich-Ungarn in Betracht. Für die Erhaltung des Friedens in Europa war zudem das Bündnis mit Italien wesentlich (Dreibund). Die Niederlage der Türkei in den Balkankriegen und der Aufstieg von Mittelmächten auf dem Balkan brach einen weiteren Pfeiler aus dem vermeintlichen Sicherheitsgefüge des Deutschen Reiches heraus.
Das Deutsche Reich war aufgrund des Zweibundvertrages mit Österreich-Ungarn vom 8. Oktober 1879 verpflichtet, diesem im Falle eines russischen Angriffs militärisch beizustehen. Eine wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit im Zweibund fand nicht statt. Sie wäre die einzige Möglichkeit gewesen, das Übergewicht der Gegner des Zweibunds zu neutralisieren. Vielleicht war die Zeit dafür noch nicht reif.
Das Deutsche Reich war aufgrund des Zweibundvertrages mit Österreich-Ungarn vom 8. Oktober 1879 verpflichtet, diesem im Falle eines russischen Angriffs militärisch bei-zustehen. Eigene Divisionen abzweigen, um das österreichisch-ungarische Heer zu unterstützen, konnte das Deutsche Reich nicht. Der deutsche Reichskanzler v. Bülow sprach (1908/1909) von „Nibelungentreue“ gegenüber Österreich-Ungarn – aber im Kriegsfall war das Deutsche Reich nicht in der Lage, seiner Bündnisverpflichtung nachzukommen. Es stand selbst im Kriegsfall im Osten einer russischen Übermacht gegenüber. Generalstabchef v. Moltke besaß nicht die moralische Stärke, sich und dem deutschen Reichskanzler die Unmöglichkeit einer Hilfeleistung einzugestehen.
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Die militärischen Planungen der beiden Verbündeten waren gegensätzlich. Der General-stabchef Österreich-Ungarns, Franz Conrad v. Hötzendorf, setzte auf Angriff. Die einzige Chance bestand darin, einzelne russische Armeen zu schlagen, bevor das russische Heer die Masse seiner Truppen beisammen hatte. Die deutschen General-stabchefs, v. Schlieffen und später v. Moltke, setzten für den Kriegsbeginn auf strategische Defensive im Osten. Sie führten Kriegsspiele für Kriege im Westen wie im Osten durch. Das Ergebnis war regelmäßig dasselbe. Frankreich, so hofften sie, könne man in verhältnismäßig kurzer Zeit besiegen. Ein Krieg gegen Russland hingegen würde „ohne absehbares Ende sein“, wie es Generalstabchef v. Moltke formulierte. Das sprach für einen Aufmarschplan gegen Frankreich. Die Schwäche dieser Lösung bestand darin, dass die deutschen Ostprovinzen dann ohne ausreichende Deckung gegen Russland blieben. Die Hoffnung auf einen schnellen Kriegserfolg gegen Frankreich war ein ungedeckter Wechsel.
Ein gemeinsames Vorgehen der Verbündeten gegen das russische Heer war 1909 lediglich angedacht, aber nicht in eine bindende Form gegossen worden. Deutsche und Österreicher beurteilen den Sachverhalt jeweils anders. Eine Offensive deutscher Truppen aus Ostpreußen über den Narew hinweg nach Süden im Zusammenwirken mit einem Angriff österreichisch-ungarischer Truppen aus Polen und Galizien war erörtert worden. Im Jahr 1914 stellte ein derartiger deutscher Angriff keine realistische Möglichkeit mehr dar. Das beiderseitige Kräfteverhältnis hatte sich seit 1909 eindeutig zugunsten Russlands verschoben:
Eine Lösung, wie man einem russischen Angriff begegnen sollte, gelang den Mittel-mächten vor Kriegsbeginn 1914 nicht. Sie hätte vom Deutschen Reich verlangt, seinem Verbündeten bei Kriegsbeginn sogleich mindestens zwei Armeekorps zu Hilfe zu schicken. Die Entscheidung, solche Armeekorps aufzustellen, war eine politische. Die Gegenleistung Österreich-Ungarns im Frieden hätte in vermehrten Rüstungs-anstrengungen bestehen müssen. Ob dies durchsetzbar gewesen wäre, kann niemand sagen.
Auf Wunsch Österreich-Ungarns wurde ihm im Frühjahr 1914 zugesagt, das schlesische Landwehrkorps im Kriegsfall zu Hilfe zu senden. Um es beweglich zu machen, erhielt das Landwehrkorps eine entsprechende Ausstattung. Dazu gehörten – für deutsche Begriffe ungewöhnlich – sogar Munitionskolonnen.
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3. Kriegsentscheidende Niederlage Österreich-Ungarns
Die Versuche des Heeres Österreich-Ungarns, einzelne russische Armeen zu schlagen, bevor sie vollzählig versammelt waren, brachten keinen durchschlagenden Erfolg. Im September 1914 sah sich das Heer erwartungsgemäß der Masse des russischen Heeres gegenüber. Ohne deutschen Beistand war eine Niederlage erwarten. Eine solche zog zwangsläufig die Niederlage des Deutschen Reiches nach sich. Wie man dies vermeiden wollte, diese Frage hatte v. Moltke im Frieden ungelöst vor sich hergeschoben. Es regierte das Prinzip „Hoffnung“, dass das Feldheer Österreich-Ungarns sich sechs Wochen lang gegen das russische Heer behaupten werde. Die sechs Wochen waren eine Fiktion, einen realen Hintergrund hatten sie nicht. Generalstabchef v. Moltke vermied es, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.
Die erwartete Niederlage trat in der ersten Septemberhälfte ein. Im Kampf gegen vier russische Armeen büßte die österreichisch-ungarische Armee ein Drittel ihres Bestandes ein und hatte Mühe, sich durch einen Rückzug zu retten. Die Ursachen der Niederlage sind zu suchen
Es war Zufall, dass das Feldheer Österreich-Ungarns nicht auf dem Schlachtfeld zusammenbrach. Seinen Rückzug deckte das deutsche schlesische Landwehrkorps. Es konnte sich selbst nur durch Preisgabe einer Batterie Geschütze über den San-Fluss retten. Damit war es einstweilen in Sicherheit. Wie es weiter gehen sollte, war offen. General Ludendorff schlug der deutschen Obersten Heeresleitung vor, die Mehrzahl der Einheiten der 8. Armee in Ostpreußen nach Galizien zu senden. Der Vorschlag wurde angenommen. Die dort neu gebildete 9. Armee war in Wirklichkeit die 8. Armee aus Ostpreußen.
Österreich-Ungarns Generalstabchef Franz Conrad v. Hötzendorf scheute sich nicht, nach kurzer Zeit den Kampf mit aller Energie und mit deutscher Unterstützung wieder aufzunehmen. Es war ein Wettlauf mit der Zeit, bis Russland weitere Armeen in den Kampf warf. Der Wettlauf wurde verloren. Nach den vorangegangenen Verlusten besaß die Armee Österreich-Ungarns besaß nicht mehr die Kraft, die russischen Heere zu schlagen. Ihre ursprüngliche Kampfkraft erlangten die Armeen nicht wieder, da die Verluste nicht ausgeglichen werden konnten.
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4. Tannenberg in Ostpreußen
Die in Ostpreußen zu erwartende 8. deutsche Armee wollte der russische General-stabchef mit zwei Armeen angreifen, mit der 1. russischen Armee von Osten und mit der 2. russischen Armee von Süden. Es war eine Zwickmühle für die deutsche Seite: wandte sich die 8. Armee nach Osten, so lief sie Gefahr, die 2. russische Armee in den Rücken zu bekommen. Wandte sie sich gegen diese, so bestand umgekehrt die Gefahr, die 1. russische Armee in den Rücken zu bekommen. Der Oberbefehlshaber der 8. Armee konnte es nur falsch machen.
Friderizianischer Strategie hätte es entsprochen, so schnell wie irgend möglich eine der beiden russischen Armeen über die Reichsgrenze hinweg anzugreifen, um den Gegner noch im Aufmarsch zu treffen. Eine solche Vorgehensweise konnte jedoch zum Untergang der eigenen Armee führen. Dieses Risiko wollte Generalstabchef v. Moltke nicht eingehen. Es sollte gewartet werden, bis eine der beiden russischen Armeen die Reichsgrenze überschritt. Dann sollte versucht werden, diese zu schlagen, bevor die andere heran war. Ob das gelingen würde, war fraglich. Im äußersten Notfall sollte die 8. Armee sich hinter die Weichsel zurückziehen, um das Eintreffen von Verstärkungen aus dem Westen abzuwarten. Die Weichsel war aber im Sommer kein Hindernis für eine feindliche Armee.
Die Kämpfe in Ostpreußen verliefen zunächst so wie zu erwarten war. Der Oberbefehls-haber der 8. Armee, General v. Prittwitz und Gaffron, wandte sich mit sieben Divisionen nach Osten gegen die 1. russische Armee, die in Ostpreußen einmarschiert war. Alsbald sah er sich zu einem Rückzug veranlasst, da die 2. russische Armee von Süden her die Reichsgrenze überschritt. Die deutsche Oberste Heeresleitung geriet in Panik. Der Rückzug konnte bis hinter die Weichsel führen. Eine Niederlage drohte. v. Prittwitz und sein Generalstabchef, Georg Graf Waldersee, wurden ihrer Ämter enthoben.
Zum neuen Generalstabchef der 8. Armee bestimmte der deutsche Generalstabchef v. Moltke den bisherigen Oberquartiermeister der 2. Armee, General Ludendorff. Der sollte zumindest das Schlimmste verhindern. Ludendorff ließ am Abend des 22. August 1914 von Koblenz aus den Befehl zur Einstellung des Rückzugs an die 8. Armee übermitteln. Auf seiner nächtlichen Eisenbahnfahrt (Sonderzug) nach Ostpreußen stieg in Hannover General v. Beneckendorff und Hindenburg zu, der zum neuen Oberbefehls-haber der 8. Armee ernannt worden war. Er hatte den Russen eine neue Schlacht zu liefern.
Was dann geschah, hatte niemand erwartet. Im Verlauf der Schlacht von Tannenberg (26. – 31.08.1914) vernichtete die 8. deutsche Armee fünf Divisionen der 2. russischen Armee. Sie existierten als Kampfeinheiten nicht mehr. Das fand seinen Ausdruck in über 90.000 russischen Gefangenen und umfangreichem erbeutetem Material. Die deutschen Verluste betrugen 6000 Tote und 6000 Verwundete. Es war eine Durchbruchsschlacht mit anschließender Umfassung des Gegners. Die Einheiten der 1. russischen Armee in Ost-preußen hatten sich nicht mit der 2. russischen Armee vereinigt und es dadurch der 8. Armee ermöglicht, diese isoliert zu schlagen. Als Reaktion auf die Niederlage der 2. Armee zog sich die 1. russische Armee einige Kilometer in Richtung Osten in eine befestigte Stellung zurück. Die augenblickliche Gefahr für die deutsche Seite war damit beseitigt.
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5. Fehlentscheidung des deutschen Generalstabchefs
Generalstabchef v. Moltke sandte zwei Armeekorps aus dem Westen nach Ostpreußen, bevor im Westen eine Entscheidung gefallen war. Sie trafen dort am 31. August 1914 ein. Das war eine Fehlentscheidung. Eine militärische Notwendigkeit dazu bestand nicht. In Ostpreußen war seit dem 26. August 1914 eine Schlacht im Gange, mit deren siegreichem Ausgang für die deutsche Seite gerechnet wurde. Verstärkungen für diese Schlacht, die später den Namen „Tannenberg“ erhielt, aus dem Westen waren weder erforderlich noch möglich.
Wollte v. Moltke trotz der ungeklärten Lage im Westen Truppen nach dem Osten schicken, so hätten diese nach Galizien gesandt werden müssen. Die dortigen Kämpfe der österreichisch-ungarischen Armeen waren für den weiteren Kriegsverlauf entscheidend. Stattdessen unternahm die verstärkte 8. Armee in der ersten September-hälfte einen Angriff auf die 1. russische Armee. Eine militärische Notwendigkeit dazu bestand nicht. Zwar musste dann mit der Möglichkeit, dass diese ihren Vormarsch nach Westen wieder aufnehmen würde, gerechnet werden. Bei einem Erfolg der verbündeten Armeen in Galizien hätte ein solcher Vormarsch jedoch keine Gefahr mehr bedeutet.
Conrad v. Hötzendorf, der österreichisch-ungarische Generalstabchef, hatte eine deutsche Unterstützung angefordert, in dem klaren Bewusstsein, dass ansonsten die Niederlage der Armeen Österreich-Ungarns unausweichlich war. Die deutsche Hilfe wurde aber nach Ostpreußen gesandt. Völlig zu Recht bemerkte Conrad v. Hötzendorf am Abend des 11. September 1914 in einer Nachricht an die deutsche Oberste Heeresleitung (Reichsarchiv, Der Weltkrieg, Band 4 Seite 481:
„Hersendung zweier deutscher Korps, wie schon erbeten, nach Przemysl hätte auch hier die Lage erfolgreich wenden können, während deren Verwendung in Ostpreußen für Gesamtlage ganz einflußlos“.
Die beiden deutschen Siege in Ostpreußen wogen die Niederlage der österreichisch-ungarischen Armeen nicht auf. Die Folgen für Deutsch-land waren unabsehbar. Generalstabchef v. Moltke hat a u c h die Niederlage des österreichisch-ungarischen Heeres mit zu verantworten.
6. Herbstschlacht in Masuren
Ab dem 4. September 1914 begann der Vormarsch der 8. Armee zum Angriff auf die 1. russische Armee und drei Tage später der Angriff selbst. Dazu standen ihr zusätzlich die beiden Armeekorps zur Verfügung, die Generalstabchef v. Moltke, wie bereits berichtet, am 27. August 1914 vom Westen nach Ostpreußen gesandt hatte. Der linke Flügel der 1. russischen Armee sollte umfasst werden. Als ihr Oberbefehlshaber erkannte, was im Gange war, befahl er den Rückzug hinter die Reichsgrenze (Herbstschlacht 1914 in Masuren). Der gelang, obwohl die 8. Armee scharf nachdrängte, brachte aber die Verbände in Unordnung und Auflösung. Sie mussten neu geordnet werden; die 1. russische Armee war vorübergehend nicht mehr kampffähig. Die 8. Armee verfolgte ihren Gegner nach dem 13. September nicht über die Reichsgrenze hinweg. Sie hatte einen Zeitgewinn erkämpft. Der wurde genutzt, um dem geschlagenen Heer Österreich-Ungarns Hilfe zu bringen.
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7. Weiterer Kriegsverlauf
Im November 1914 startete das russische Heer einen Generalangriff gegen die Mittel-mächte. Der deutsche Generalstabchef v. Falkenhayn lehnte es ab, nennenswerte Verstärkungen aus dem Westen nach dem Osten zu schicken. Es kam zu einer Beinahe-Katastrophe der deutschen Seite und machte die Verstärkung durch Truppen aus dem Westen nunmehr zwingend erforderlich. Die Gelegenheit, den russischen Armeen noch im Jahr 1914 eine weitere Niederlage zuzufügen, war aber dahin.
Mit weiteren Verstärkungen des Ostens Anfang 1915 wurde es möglich, russische Armeen zu schlagen. Im Februar 1915 wurde in Ostpreußen der größte Teil der 10. russischen Armee in einer Kesselschlacht mit zwei Angriffsflügeln vernichtet (Winterschlacht in Masuren). Das Ergebnis war noch bedeutender als das von Tannenberg. Auf der Verlustseite der Mittelmächte stand, dass die Festung Przemysl am San im März 1915 vor Hunger kapitulierte. 100.000 Mann guter Truppen Österreich-Ungarns gerieten in russische Gefangenschaft.
Generalstabchef v. Falkenhayn zog danach die Leitung der Operationen an sich. Mit der von ihm bevorzugten Zermürbungsstrategie – sie bestand in Frontalangriffen - gelang es zwar, russische Einheiten zu schlagen und das russische Heer zurückzudrängen. Eine Vernichtung gelang nicht; sie wurde auch nicht angestrebt. Erst die russische Revolution vom März 1917/Oktober 1917 besiegelte die endgültige Niederlage Russlands. Sie fand ihren Niederschlag im Frieden von Brest Litowsk. Erstmalig wurde eine unabhängige Ukraine proklamiert. Den Monarchien Österreich und Ungarn half dies nicht mehr – aber auch für das Deutsche Reich kam dies zu spät.
8. Politische Folgen der Niederlage Österreich-Ungarns
Der Zeitgewinn, der im August und September 1914 durch die beiden siegreichen Schlachten der 8. Armee in Ostpreußen erzielt wurde, darf den Blick nicht auf die politischen Folgen verstellen, welche die Niederlage des Feldheeres Österreich-Ungarns in der Zukunft erwarten ließ.
Ein Sieg des eigenen Heeres wäre eine Voraussetzung dafür gewesen, dass das Kaiserreich Österreich als Staat politisch überleben konnte.
Mit der Niederlage in Galizien stand fest, dass das Kaiserreich Österreich nach dem Krieg in seiner bisherigen Form nicht weiterbestehen werde. Es wurde unausweichlich, nach Kriegsbeendigung die Forderung der Tschechen im Königreich Böhmen nach einem eigenen Nationalstaat zu erfüllen. Der Hinweis auf den sogenannten Ausgleich des Kaiserreichs Österreichs mit dem Königreich Ungarn im Jahre 1867 liegt nahe.
Nach der Niederlage gegen Preußen bei Königgrätz am 2. Juli 1866 war das bis dahin bestehende einheitliche Kaiserreich Österreich in zwei souveräne Staaten auseinander-gebrochen, das Rest-Kaiserreich Österreich und das nunmehr selbständige Königreich Ungarn. Das war nach der neuen Niederlage ebenfalls für das Königreich Böhmen zu erwarten. Ohne dieses war das Kaiserreich Österreich nicht lebensfähig.
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Was an die Stelle des bisherigen Kaiserreichs Österreich treten würde, hing vom weiteren Verlauf des Krieges ab. Jedenfalls würde sich die geo-strategische Lage des Deutschen Reiches nach dem Krieg in Abhängigkeit von dieser Entwicklung grundlegend verändern. Die Behauptung, ein deutscher Sieg im Westen hätte dem Deutschen Reich eine Vormachtstellung in Europa gegeben, verkennt die wirklichen Kräfteverhältnisse.