Deutsches Heer - Zweites Deutsches Kaiserreich Eckhard Karlitzky Aufsätze und Aufsatz-Fragmente
Deutsches Heer - Zweites Deutsches KaiserreichEckhard KarlitzkyAufsätze und Aufsatz-Fragmente

Anlage zu Aufsatz 1

Rüstungsausgaben im Reichshaushaltsetat ohne Nachtragshaushalte

(Ausnahme: Nachtragshaushalt  1913 wird ausgewiesen)

veröffentlicht im Reichsgesetzblatt (RGBl)

Währung: Mark (umgangssprachlich: Goldmark)

 

Seite 1

 

Teil A Verwaltung des Reichsheeres

 

Spalte 1 Jahr und Fundstelle

Spalte 2 Fortdauernde Ausgaben

Spalte 3 Einmalige Ausgaben

Spalte 4 Festungen

             kursive Zahlen: außerordentliche Ausgaben

Spalte 5 Summenspalte

Spalte 6 als Vergleichswert: Reichsarchiv I. Anlagenband Tabelle 21:

             Laufende und einmalige Ausgaben in Millionen

       1                                   2                      3                      4                        5                 6

1906                         616.177.342        87.521.672      19.798.200       723.497.214      734,9

RGBl Seite 477

1907                         639.233.114       108.977.101      40.644.000      788.854.215      790,9

RGBl Seite 155

1908                         670.429.720       127.235.930      40.003.300      837.668.95        860,3

RGBl Seite 87

1909                         671.459.690         98.919.398      34.260.200      804.639.288       822,2

RGBl Seite 345

1910                        706.805.647          77.636.010      19.949.100       804.390.757      791,7

RGBl Seite 525                                        -2.060.000        2.060.000

1911                        710.780.905          73.388.440      18.689.400       802.858.745      796,8

RGBl Seite 113                                        -3.039.300       3.039.300

+Heeres

gesetz 1911                 3.714.989             4.177.056                                   7.892.045

1912                        785.351.733         142.617.903       11.438.967      939.408.603      938,7

RGBl Seite 319                                       -11.438.967       16.764.300

1913                        829.054.584         155.820.109       15.787.676   1.000.662.369    1.496,1

RGBl Seite 253                                         12.706.000       12.706.000

+Heeres

gesetz 1913              53.775.458           406.876.751      70.000.000      530.652.209

RGBl Seite 499

1914                        870.559.735          255.505.218      63.079.938    1.189.144.891

RGBl Seite 143                                          40.758.782    

 

Summen               6.557.342.917        1.562.896.103     368.220.381   8.442.375.286

 

Seite 2

Teil A Verwaltung des Reichsheeres

 

Anmerkung zu den Zahlen 1911:

Im Reichshaushaltsetat 1911 sind die zusätzlichen Aufwendungen durch das Heeresgesetz 1911 

gesondert ausgewiesen.

Anmerkungen zu den Zahlen 1913:

Den Aufwendungen im Reichshaushalts-Etat 1913 in der obigen Aufstellung ist ein weiterer  Betrag hinzuzurechnen,

der sich in "Abschnitt XII. Allgemeine Finanzverwaltung" findet. Er ist überschrieben 

"Abbürdung der Vorschüsse der Heeresverwaltung zu Vorausleistungen sowie von Bereitstellung von Betriebsmitteln

für die Marine Bekleidungsämter 106.186.878 Mark"

Hier werden Heer und Marine vermischt, ohne dass ersichtlich ist, wie die Aufteilung vorzunehmen ist.

 

Anmerkungen zur Ausgabenentwicklung: 

Beginnend ab 1905 steigen die Ausgaben alljährlich an. Die einmaligen Ausgaben erreichen im Jahr 1908 einen

vorläufigen Höhepunkt.

 

In den Jahren 1909 bis 1911 kommt es bei den einmaligen Ausgaben und den Festungsausgaben zu einem

Rückgang. Sein Ausmaß ist dramatisch zu nennen. Das Heer zehrte von der Substanz. Bei den Festungen dauert

der Rückgang noch im Reichshaushaltsetat 1913 an. Erst der Nachtragshaushalt 1913 bringt eine Änderung.

 

In den Jahren 1912 und 1913 wird bei den einmaligen Ausgaben ein vertretbares Maß her gestellt.

Durch ein eigenes Heeresgesetz 1913 mit Nachtragshaushalt 1913 wird damit begonnen, den Nachholbedarf

aus den Vorjahren abzubauen. Das gelingt zu einem wesentlichen Teil, aber keineswegs vollständig.

 

Bewertung:

 

Die Militärpolitik des Reiches war, soweit es um das Heer ging, verfehlt. Der Ausgabenrückgang 1909 bis 1911

erfolgte, um den Staatshaushalt zu sanieren. Militärisch notwendig gewesen wäre eine alljährliche maßvolle

Steigerung der einmaligen Ausgaben, mit dem Jahr 1908 als Ausgangsgröße. Das hätte die Einführung einer

direkten Reichssteuer auf den Besitz und/oder das Einkommen  erfordert. Jedoch kam es erst 1913 zur Einführung

eines einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrags (2 Abgaben, Einkommensabgabe und Besitzabgabe) und einer

zukünftigen Besitzsteuer. Bei einer kontinuierlichen jährlichen Ausgabensteigerung wäre das Heeresgesetz 1913

nicht erforderlich geworden.

 

Seite 3

 

Teil B Verwaltung der Kaiserlichen Marine

 

Spalte 1 Jahr und Fundstelle

Spalte 2 Fortdauernde Ausgaben

Spalte 3 "Schiffsbauten und Armierungen usw."

Spalte 4 außerordentliche Ausgaben

Spalte 5 Summenspalte

Spalte 6 als Vergleichswert: Reichsarchiv I. Anlagenband Tabelle 21 (einschl. Pensionen) in Millionen

          1                          2                        3                  4                         5                   6

1906                    112.672.156       116.238.150     27.575.000     228.910.306        271,4

RGBl Seite 477                                 -27.575.000

1907                     120.742.266      136.311.450     36.080.000     257.053.716        296,9

RGBl Seite 155                                 -36.080.000

1908                     133.685.699      179.707.500      60.410.000     313.393.199       359,6

RGBl Seite 87                                    60.410.000

1909                     143.556.252      230.855.363      84.980.000      374.411.615       410,9

RGBl Seite 345                                -84.980.000

1910                     157.172.818      256.568.280      92.590.000      413.741.098        450,7

RGBl Seite 525                                 -92.590.000

1911                     167.047.785      263.782.675     108.909.917     450.170.377        459,8

RGBl Seite 113                                -89.570.000

1912                     180.947.499      281.035.900        82.570.000    461.983.399        472,6

RGBl Seite 319                                 -82.570.000

1913                     197.014.069      270.349.771        49.650.000    467.363.840        481,2

RGBl Seite 253                                 -49.650.000

Nachtrag 1913          225.000              3.000.000                                 3.225.000

RGBl Seite 499

1914                   220.700.923          255.074.348      29.410.000      475.775.271

RGBl Seite 143                                   -29.410.000    

 

Summen           1.433.764.467        1.440.088.437    572.174.917    3.446.027.821

 

Seite 4

 

Teil B Verwaltung der Kaiserlichen Marine

 

Anmerkungen:

 

Ein Teil der Aufwendungen für "Schiffsbauten und Armierungen usw" wird in den außer- ordentlichen Etat verwiesen

und bei den Aufwendungen des ordentlichen Etats abgesetzt.

Die fortdauernden Ausgaben steigen kontinuierlich von Jahr zu Jahr an. 

Die Ausgaben für "Schiffsbauten und Armierungen usw." steigen bis zum Jahr 1912 kontinuierlich an, ab 1913 sind sie

leicht rückläufig.

Der außerordentliche Etat wird im Wesentlichen über Anleihen finanziert.

 

Bewertung:

 

Aus militärischer Sicht erscheint das Flottenbauprogramm konsequent verfolgt und durchgeführt.

Bedenklich ist, dass die Finanzierung in hohem Ausmaß über Anleihen erfolgte.

 

Zur Sicherung der deutschen Küsten und der deutschen Vorherrschaft in der Ostsee war eine Schlachtflotte dieses Umfangs nicht erforderlich.

 

Dem Schutz des deutschen Überseehandels sollte die Kreuzerflotte dienen, nicht die Schlachtflotte. Im Pazifischen Ozean operierte das "Ostasiengeschwader", ein Kreuzerverband.

 

Ziel des Aufbaus der deutschen Schlachtflotte war es, im Verhältnis zur Flotte des  britischen Empire zu einem Verhältnis von 1 zu 1,5

oder 2 zu 3 zu gelangen. Für die britische Flotte sollte ein Angriff auf die deutsche Flotte ein Risiko darstellen.

 

Die britische Regierung akzeptierte das von deutscher Seite angestrebte Verhältnis nicht und ergriff Gegenmaßnahmen.

Dazu gehörte ein Ausbau der eigenen Schlachtflotte.  Es kam zu einem Rüstungswettlauf zur See. Angesichts der

überlegenen Finanzkraft des Empire, das aus seinen Kolonien reiche Erträge zog, hatte die deutsche Seite nur  geringe

Aussichten, ihr Ziel zu erreichen.

 

Die vom Empire für den Kriegsfall beabsichtigte Seeblockade konnte die deutsche  Schlachtflotte nicht zu verhindern hoffen.

 

Letztlich war der Aufbau der deutschen Schlachtflotte politisch veranlaßt, um den deutschen Anspruch auf Weltgeltung

und damit eine Gleichberechtigung mit dem Empire zu unterstreichen.

 

Seite 5

 

Teil C Zusammenfassung

 

Im Reichshaushaltsetat wird zwischen dem ordentlichen und dem außer- ordentlichen Haushalt unterschieden.

Der erstere wird aus den laufenden Staatseinnahmen gespeist, der letztere im Wesentlichen aus Staatsanleihen.

 

Beim Heer wurden in der Regel nur Festungsbauten über den außerordent- lichen Haushalt finanziert, bei der

Marine ein Teil der Ausgaben für "Schiffs- bauten und Armierung usw."

 

Im ordentlichen Haushalt wird zwischen fortdauernden Ausgaben und ein- maligen Ausgaben unterschieden.

Die ersteren sind vor allem Personal- ausgaben, aber auch der fortlaufende Sachaufwand. Die einmaligen Aus-

gaben sind Investitionen in das Heer bzw. die Flotte.

 

Beim Heer dominieren die fortdauernden Ausgaben. Die einmaligen Ausgaben machen davon nur einen Bruchteil

aus. Im Jahr 1908 sind es fast 19 %, bis zum Jahr 1911 sinken sie auf unter 11 %.

 

Bei der Marine sind die fortdauernden Ausgaben noch im Jahr 1906 fast so  hoch wie die Ausgaben für

"Schiffsbauten und Armierung usw". Ab 1907 eilen diese Kosten den fortdauernden Ausgaben davon und sind im

Jahr 1912 um 100 Millionen Mark höher. Die Investitionsquote liegt also über  100 %. Im Jahr 1912 sind es sogar

155 %.

 

In absoluten Zahlen lagen die jährlichen Investitionsausgaben für die Marine weit über denen des Heeres.

In den Jahren 1910 und 1911 betrugen die Investi- tionen  in die Marine mehr als das dreifache der Investitionen

des Heeres, im Jahr 1912 war es noch immer das Doppelte. Mit dem Heeresgesetz 1913 bzw. dem Nachtrags-

haushalt 1913 holte das Heer bei den Investitionskosten gegenüber der  Marine auf, auf, war aber noch weit entfernt

davon, deren Summe ab 1906 in absoluten Zahlen zu erreichen.

 

Bewertung:

 

Der Aufbau der Schlachtflotte ging zu Lasten des Heeres. Ihm wurden die not- wendigen Mittel zur Weiterentwicklung

seiner Heeresorganisation durch die Bildung neuer Divisionen bzw. Armeekorps vorenthalten, und ebenso die Mittel

zur  Schaffung ausreichender Produktionskapazitäten für die Munitionsherstel- lung und die notwendige technische

Ausstattung. Das Heeresgesetz 1913 leitete einen Wandel ein. Dieser war aber nach wie vor unzureichend.

 

Mit Vernunftgründen aus heutiger Sicht nachvollziehbar ist die Bevorzugung der Marine nicht. 

 

Als Alternativen sind zu nennen:

 

´- entweder Reduzierung der Ausgaben für die Schlachtflotte zugunsten des Heeres. Dazu wäre vermutlich ein

teilweiser Rückbau der Flotte erforderlich gewesen. Auf die Dauer ließ sich eine aktive Schlachtflotte von 3 Geschwadern

zu je 8 Linienschiffen nicht finanzieren.

 

´- oder/und die Einführung laufender direkter Steuern auf das Einkommen. Diese hätten zumindest einen jährlichen Ertrag

von 200 oder 300 Millionen  Mark erbringen müssen.

 

Es ist zweifelhaft, ob das Reich die Rüstungskapazitäten besaß, die für einen gleichzeitigen Ausbau

der Schlachtflotte und den notwendigen Ausbau des Heeres erforderlich gewesen wären. Das gilt

entsprechend für die Beschaffung der notwendigen Rohstoffe. Denn diese standen keinesfalls in unbe-

schränkter Menge zur Verfügung.

 

Die geostrategische Lage des Reiches in Mitteleuropa erforderte die Aufrecht- erhaltung eines starken

Heeres. Nur so konnte sich des Reich als selbständige Macht zwischen den europäischen Flügelmächten

behaupten. Der Bau einer Schlachtflotte hätte demgegenüber nachrangig sein müssen.

 

Eine Unterstützung des Heeres durch die Marine im Kriegsfall wurde weder  vom Generalstabchef gefordert

noch von der Marine angeboten.

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